Christen und Juden in ihrer gemeinsamen Geschichte: entscheidende Begegnungen |
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Jesus
war Jude, das ist die Grundaussage, die wir nicht vergessen oder
relativieren dürfen. Er bewegte sich im Tun und Reden als Jude. Die
Forscher reden von einer Revitalisierung des Judentums durch ihn. Wie
kommt es dann zu seiner Kreuzigung? Die These, die Juden hätten Jesus
gekreuzigt, ist falsch. Sie hatten nicht das Recht, ein Todesurteil
auszusprechen. Jesus war angezeigt von der Tempelaristokratie wegen
seines Angriffs auf den Tempel. Er wurde getötet von den Römern
wegen der Erwartung, er repräsentiere das einheimische Königtum als
König der Juden. Sein Tod war also eine Zusammenarbeit zwischen
Tempelaristokratie und den Römern. Beide waren auf Ruhe im Lande
bedacht, besonders der römische Statthalter Pontius Pilatus, der
verantwortlich war für die Ostgrenze des römischen Reiches. Es ist
nicht anzunehmen, dass Jesus seinen Tod als Opfer- oder Sühnetod
verstanden hat. Eine
andere Begegnung von Juden und Christen: Papst Urban II. motivierte im
Jahre 1095 auf der Synode von Clermont zum 1. Kreuzzug. Seine Rede
dort ist nicht ganz eindeutig. Jedenfalls wird uns berichtet, dass
Kreuzfahrer den Eindruck hatten, es sei unnötig, nach Jerusalem zu
ziehen, wo sie doch die Juden vor ihrer Haustür fänden. So machten
sie brutal in Worms, Mainz und Speyer die Juden nieder. Die Chronik
des Salomon bar Simson berichtet darüber. Die Grausamkeiten der
Christen fanden ihren Niederschlag in der synagogalen Dichtung in
Mainz. Das
frühe Mittelalter kennt noch eine Erfahrung mit einem Juden.
Im 12. Jahrhundert wurden durch arabische Philosophen die
naturwissenschaftlichen Schriften des Aristoteles bei uns bekannt. Das
führte zu großen Konflikten. Aristoteles lehrte die Ewigkeit der
Welt. Wie können die Christen ihre Schöpfungsvorstellung behaupten?
Thomas von Aquin hat sich im 13. Jahrhundert konstruktiv mit
Aristoteles auseinandergesetzt. Es wurde deshalb von anderen Theologen
kritisiert, z.B. von de Franziskaner Bonaventure. In diesem Denken ist
ihm vorausgegangen der Jude Maimonides. In seinem „Führer der
Unschlüssigen“ bot Maimonides das Modell für die geforderte
Auseinandersetzung. Seine theologischen Ausführungen sind für uns
noch immer wichtig. Eine
andere Episode in der gemeinsamen Geschichte sei noch erwähnt: Im 19.
Jahrhundert entstand in Deutschland die Wissenschaft vom Judentum. Der
Name Leopold Zunz muss dabei erwähnt werden. Ziel dieser Bewegung war
die Anpassung der Juden an das Christentum. So wie das Christentum als
Wissenschaft an den Universitäten betrieben wurde, so stand dies dem
Judentum auch zu. Im Zuge dieser Anpassung baute man Orgeln in den
Synagogen. Diese Bewegung war im Judentum umstritten, aber sie ist
eine wichtige Etappe in der Geschichte. Zur gleichen Zeit entstand im
Christentum ein Antijudaismus, der Jesus aus dem Judentum löste, ihn
auch zum Arier machen wollte. Hier liegen die Wurzeln für den dann
rassisch geprägten Antisemitismus. Dieser
Antisemitismus blieb dann nicht eine abstrakte Meinung, er entlud sich
in einer brutalen Gewalt, die Millionen von Juden vernichtete. Als
Antisemit konnten die Nationalsozialisten und deren Anhänger nicht
mehr mit Juden zusammenleben. Interessant wäre auch einmal zu
verfolgen, wie Juden dieses grausame Schicksal bewältigt haben oder
noch immer versuchen zu bewältigen. Vieles davon ist Ausdruck einer
tiefen Frömmigkeit. Wir
dürfen die wenigen Aspekte der Geschichte nicht erschließen ohne
eine Zukunftsvision. Juden und Christen gehen getrennt zum gemeinsamen
Ziel. Die Kirche hat von Jesus kein Bild aufbewahrt. Wenn Jesus morgen
wiederkehren würde, würde ihn vom Angesicht kein Christ erkennen können.
Aber es könnte wohl sein, dass der, der am Ende der Tage kommt, der
die Erwartung von Kirche wie von der Synagoge ist, dasselbe Antlitz trägt. Martin
Gerlach |
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