Der mitleidende Gott

 
  Mir fielen zu diesem Thema zunächst alttestamentliche Texte ein, die Gott als mitleidenden Gott verstehen und so deuten.  
  Im 23. Psalm heißt es: "...und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir..." Der Beter ist sich sicher, dass Gott ihn begleitet in "dunklen Zeiten", er fürchtet kein Unglück. Das Mitsein Gottes macht ihn zuversichtlich und nimmt ihm die Furcht.  
     
  Das Mitsein Gottes hat die Struktur der Solidarität. Gott ist solidarisch mit dem Menschen und gibt ihm dadurch die Kraft zum Überleben. Am Überleben ist der solidarische Gott interessiert, er ist deshalb auch kein Gott des Verurteilens und des Richterstands. Das Unglück ist nicht aus Strafe von Gott geschickt. Solidarität teilt nicht nur das Leid, es ist auch Mitleiden. Der mitleidende Gott kann nicht auch gleichzeitig der allmächtige Gott sein. Den allmächtigen Gott kann der Mensch klagend fragen: Wenn du gerecht bist, warum trifft mich das Leid? (vgl. Hiob-Problem)  
     
  Das ist die berühmte Theodizeefrage, die viele Menschen immer wieder in ihrer Not stellen. Diese Frage nach dem Leid ist nie zu beantworten, mit deren Unlösbarkeit muss der Mensch leben. Der Gott, der die Unschuldigen leiden lässt, ist der Angeklagte im Forum der Theodizeefrage. Der Gott aber, der mitleidet, ist sein einzig möglicher Verteidiger. Der mitleidende Gott ist für unser Leben unerlässlich. Denn ein Gott, der nicht leiden kann, kann auch nicht lieben, er ist ärmer als jeder Mensch. Der liebende Gott jedoch beweist seine Lebendigkeit in seinem Mitleiden.  
     
  Eindrücklich ist der mitleidende Gott in Jesaja 40 als der mitgehende Gott geschildert. Der Prophet stellt sich den Rückweg des Volkes aus der babylonischen Gefangenschaft vor. Gott geht voran in die Freiheit; mit diesem Gott ist der Weg eben, die Täler werden erhöht und die Berge und Hügel erniedrigt. Der mitgehende Gott ebnet schwierige Wege, macht sie gangbar und führt in die Freiheit. Dies ist keine Gnadenhandlung des Allmächtigen, es ist vielmehr Ausdruck des solidarischen Gottes, er kann nicht anders.  
     
  Der solidarische Gott kommt im Alten Testament nicht nur als Bekenntnis eines Beters vor. An vielen Stellen bekennt er sich auch selbst als persön-lichen, mitgehenden, mitleidenden Gott. Er spricht zu den Menschen: Ich will mit dir sein. Er macht sich Mose bekannt als der, der er ist (2. Mose, 3,12). Weitere Stellen sind u.a.  
  > 1. Mose 28,15 "...und siehe, ich bin mit dir."  
  > Josua 1,5 "...ich will dich nicht verlassen, noch von dir weichen."  
  > Josua 1,9 "...denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst."  
  > Jesaja 41,10 "...fürchte dich nicht, ich bin mit dir."  
  > Jeremia 15,20 "...denn ich bin bei dir, dass ich dir helfe und dich errette."  
     
> zurück zu Beiträge < Das finde ich sehr tröstlich.  
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