Predigt in Bensberg 2007

 
   

Predigt während der theologischen Tagung in Bensberg 
vom 16. - 18.02.2007

 

Der Predigttext ist: Johannes 3,1- 8  

 

Liebe Freunde!

Unser Treffen hier galt dem Versuch, einen interreligiösen Dialog zu gestalten. So suchte ich nach einem Text, in dem ein solches Gespräch praktiziert wird. Daher kam ich auf Johannes 3. Es ist ein Streitgespräch zwischen einem Pharisäer, einem jüdischen Theologen und dem Rabbi Jesus. Es geht um die Frage des Heils. Genau geht es um die Frage des Woher des Menschen, aus welcher Kraft lebt er. Jesus meint: es muss ein von oben Geborenwerden geschehen. Das Neue ist Gottes Wirken, das Vertrauen des Menschen auf dieses Neue. Es ist konkret der Zuspruch, dass der Mensch einen Wert hat, unabhängig von seinen Leistungen, ein Wert, der dem Menschen nicht wegzunehmen ist. Er kommt ja nicht aus meiner Leistung, hängt auch nicht von meinem Versagen ab.

Nach Johannes kann der Nikodemus das nicht verstehen (V 4). Für ihn ist Heil menschliche Möglichkeit. Für Jesus ist Heil Gottes Möglichkeit. Diese beiden Positionen werden im Text eben in dem Dualismus von Fleisch und Geist gegenüber gestellt. Der Christ lebt aus dem Geist Gottes, so wie in der Schöpfungsgeschichte das Anhauchen durch Gottes Geist aus Erde den Menschen macht.

Das Gespräch misslingt. Aber wir sind gegenüber Johannes kritisch. Er hat das Judentum falsch dargestellt. Auch der Jude lebt aus Gottes Zuspruch, aus dem Bund, der Gott mit seinem Volk geschlossen hat. Im interreligiösen Gespräch ist es entscheidend, dass die Partner sich nicht falsch darstellen. Doch was bedeutet nun dieses „Woher“ von Gott für Juden und Christen?

1. Heil ist Zuspruch. Ich bin nicht die Resultante der Gesellschaft, nicht meine eigenen Möglichkeiten. Ich empfinde das als entlastend. Von der Geborgenheit, die mich von der Sorge um mich selbst entlastet, bin ich frei zum  Besorgen der Dinge der Welt, christliches Handeln kommt nicht aus Geboten, sondern aus dieser Erfahrung.

2. Ich habe oft den Eindruck, dass wir Menschen dem Tantalus gleichen. Wir stehen im Wasser, über uns köstliche Früchte, wir können Hunger und Durst nicht stillen. Wasser und Früchte weichen bei jedem Versuch zurück. Wir scheinen gebunden zu sein, so dass wir nicht greifen können, gebunden an vergangene Schuld, an Mutlosigkeit, diesem Zuspruch zu vertrauen, besser ist die Devise: Hilf dir erst selbst, dann hilft dir Gott. Die Geschichte von der Heilung des Gichtbrüchigen zeigt aber, dass das Hören zum Gehen führt, die Gebundenheit auflöst. Das Heil geht doch allen Lebensäußerungen voran. Hiervon muss geredet werden, nicht von meinen Sünden. Das ist nicht mehr die Ebene, auf der ich lebe.

3. Der Konflikt zwischen beiden Möglichkeiten ist lebenslang. Er muss geleistet werden.

4. Der Zuspruch macht mich zum Mitarbeiter Gottes. Ist der Zuspruch Friede, Freude und Gerechtigkeit, dann ist dies das Grobziel, das ich nun in dieser Welt situationsgemäß verwirklichen muss. So wird aus diesem Grobziel dann das Feinziel.

5. Dieser Zuspruch setzt uns frei zu einer Suchbewegung. Alfred Mitscherlich hat den Gebildeten so beschrieben: „Der ist gebildet, der seine jugendliche Ansprechbarkeit auf Neues und Unbekanntes behalten hat. Er sucht nach Wissen und Methoden, Erfahrungen zu prüfen. Alles Gewisse ist das Ende der Bildung.“ Es gibt also keinen Bildungsabschluss. Die Auseinandersetzung mit dem Zuspruch hört nie auf, es bleibt immer nur Suchbewegung. Er wird nie fester Besitz, wir müssen wachsen im Glauben. Paulus meint: „Prüfet alles, aber das Gute behaltet.“ Bezüglich des Heils spielen wir immer nur die unvollendete Symphonie und immer nur als Generalprobe (Karl Rahner).

So möchte ich schließen mit einem Zitat aus dem 4. Band der Dogmatik von Karl Barth:

„Indem Gott sich des Menschen annimmt, eröffnet er ihm über seinen eigenen Status hinaus eine ganz andere Zukunft, treibt und führt er ihn in diese seine Zukunft hinein. Stehe auf, nimm dein Bett und wandle.“

Dr. Martin Gerlach

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